Das Naturschutzgebiet Mittleres Innerstetal mit Kanstein
Alles fließt - Leben ist Veränderung
Fließgewässer sind seit jeher Lebensräume von hoher Vielfalt gewesen. Vor der Einflussnahme durch den Menschen waren sie wohl jene Landschaftselemente, in denen die stärksten und auch die kurzfristigsten Veränderungen stattfanden. Bach- und Flusslandschaften sahen in jedem Frühling nach der Schneeschmelz anders aus. Das führte letztlich dazu, dass äußerst vielgestaltige Biotope in Form von Auwäldern, Altarmen, Verlandungszonen und frisch aufgerissenen Steilufern entstanden. Immer wieder mussten Pflanzen und Tiere Standorte aufgeben oder neu besiedeln. Wir Menschen schließlich meinten, dass sich die Natur unterzuordnen habe, auch jene der Fließgewässer. Das Ergebnis ist, dass die geschilderten Veränderungen aufhörten und in der Folge auch die entstandenen Lebensräume unwiederbringlich verschwanden. Nur noch wenige Reste dieser einstigen Urlandschaften sind erhalten - das Innerstetal gehört in weiten Teilen dazu.
Die Grundstücke der Natur- und Umwelthilfe Goslar e. V. liegen zum einen östlich von Bredelem am Westufer der Innerste und nördlich von Upen, letzteres ist das größere der beiden Grundstücke und liegt z. T. beiderseits der Innerste. Die eingangs geschilderte Vielfalt unterschiedlicher Lebensräume an Fließgewässern bedingt ihrerseits eine große Vielfalt in Flora und Fauna. Ganz besonders die Vogelwelt profitiert davon - einige Arten sind dabei, die den Herzschlag jedes Vogelkundlers deutlich beschleunigen. Wir finden diese Arten, die teilweise auch umseitig beschrieben sind, beinahe ohne Ausnahme auch in unseren Biotopen. Aber die Vogelwelt ist es natürlich nicht allein. Vor allem gibt es auch eine sehr artenreiche Insektenfauna, darunter viele Libellen und Schmetterlinge, die Amphibien haben namhafte Vertreter hier und - last not least - stellen die Reptilien mit Eidechsen und Blindschleichen ebenfalls ihr Arten-Kontingent.
So reihen sich die beiden Grundstücke des Vereins als besonders glanzvolle Stücke in die ökologische Perlenkette des Innerstetales ein, die wir auf der Innenseite dieses Faltblattes näher beschreiben. Es ist, um es noch einmal deutlich zu machen, der reine Platzmangel, der uns nur die Darstellung einiger weniger Kleinodien gestattet. Seien Sie als Leser und vielleicht als künftiger Besucher versichert, dass es entlang der Innerste noch einiges mehr zu entdecken gibt. Schützen wir es gemeinsam, so gut wir können!
Nach vielen Jahren der Vorbereitung und nachdem die Naturschützer auch im Landkreis Goslar es immer wieder gefordert hatten, war es im September 2008 soweit: die wertvolle Innersteaue wurde als Naturschutzgebiet gesichert.
Das Gebiet trägt die offizielle Nummer NSG BR 131 und ist etwa 563 ha groß. Es umfasst das Innerstetal zwischen der Stadt Langelsheim am nördlichen Harzrand und der Stadt Bad Salzdetfurth sowie die Felshänge des markanten Kansteins im Süden und die Derneburger Teiche in der Gemeinde Holle.
Kennzeichnend für den noch erhaltenen naturnahen Charakter des Gebietes sind die schnellfließende Innerste mit Wasservegetation, Schotterinseln, Abbruchkanten, Prallund Gleitufern und die den Fluss begleitenden hochstauden- und blütenreichen Schotterfluren und schwermetallbeeinflussten Flussschotter-Magerrasen.
Das Naturschutzgebiet ist nicht zuletzt wegen seiner Sekundärgewässer - hier sind insbesondere die auch gartenhistorisch bedeutsamen Derneburger Teiche zu nennen - ein wertvoller Lebensraum seltener und gefährdeter Vogelarten.
Neben Pirol und Wasseramsel gibt es weitere besonders schutzwürdige Brutvögel im Gebiet: den Schwarzstorch, er benötigt großräumige, störungsarme Gebiete für die Nahrungsaufnahme; die Rohrweihe, sie findet hier großflächige Röhrichte und Verlandungszonen, aber auch kleinflächige naturnahe Feuchtbiotope mit Röhrichtbeständen; den Eisvogel, der auf steilwandige Ufer und Abbruchkanten von mindestens 50 cm Höhe angewiesen ist, deren Substrat das Graben von Nisthöhlen erlaubt. Weiterhin benötigt er ufernahe Gehölze mit überhängenden Zweigen oder ähnlichen Ansitzmöglichkeiten insbesondere an der Innerste und den Mühlengräben; den Mittelsäger, er findet hier eine gewässernahe, dichte, mit Steinen durchsetzte hohe Bodenvegetation und gewässernahe Gehölzbereiche sowie vergleichbare Strukturen auf den Schotterinseln der Innerste.
Wichtige Zugvogelarten rasten im Naturschutzgebiet, insbesondere: die Wasserralle, für sie müssen großflächige Röhrichte und Großseggenrieder mit oberflächennahem Grundwasserstand sowie kleinere Röhrichte in Bruchwäldern, Feuchtwiesen und feuchten Niederungsbereichen geschützt werden; der Gänsesäger, er benötigt in seinem Lebensraum freie Wasserflächen zum Tauchen.
Neben den " Gefiederten" gibt es noch viele andere Kostbarkeiten aus Fauna und Flora im Innerstetal. Stellvertretend für viele andere seien hier drei der schönsten genannt und gezeigt: die Blauflügel- Prachtlibelle, die gebänderte Prachtlibelle und die Breitblättrige Sumpfwurz, eine Orchidee.
Das Naturschutzgebiet ist sogar von europäischem Interesse. Es umfasst nämlich das FFH-Gebiet 121 " Innersteaue (mit Kanstein)" und entspricht flächenmäßig dem europäischen Vogelschutzgebiet V 52 " Innerstetal von Langelsheim bis Groß Düngen". Eine große Verantwortung für uns hier in der Region! Zuständige untere Naturschutzbehörden sind die Landkreise Goslar, Hildesheim und Wolfenbüttel sowie die Stadt Salzgitter. Federführend ist der Landkreis Goslar.
© Walter Wimmer
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